Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

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mr.minolta
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von mr.minolta »

Pico hat geschrieben:Freue mich auf den La Digue-Teil.
Suse hat geschrieben:Bild






Suse hat geschrieben:Bild
Frenki hat geschrieben: :shock: :shock: :shock:






Suse hat geschrieben:Bild
ronjalynn hat geschrieben:... ab jetzt bekommen ich Angst..... I)

Tut mir leid, ich kann nicht anders... :lol:
Es scheint, daß es neben der Republik der Seychellen auf der Welt kein zweites Land gibt, das für sich selbst derart ausdrücklich mit besonderem Umweltschutz wirbt und in der Realität so unfaßbar dreist das absolute Gegenteil davon praktiziert.
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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Bevor ich mich am kommenden Tag der nächsten Enttäuschung am ehemaligen Lieblingsort Source stellen kann, brauche ich erstmal etwas Positives. Während ich gestern im Vorbeifahren bereits das "Kind" begrüßt habe

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mache ich mich auf die Suche nach Mutter

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und Vater

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und entdecke dabei in diesem noch nicht vollkommen dem Bauwahnsinn anheim gefallenen Eckchen der Insel den Gemüsegarten mit Müllkunst, der hier ein neues Refugium gefunden hat. Während ich die Puppen früher gruselig fand, freue ich mich heute fast wie beim Anblick alter Kumpel. Sogar Zuwachs haben sie bekommen in Form eines motorradfahrenden Plüschhundes mit Schwimmflossen. :D Ein bißchen Originalität im zunehmenden Mainstream der sich auf schick trimmenden Insel.

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Am Chateau brennt ein offenes Feuer

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und es gibt vereinzelt noch Wiesen aufn denen Rinder im Schatten liegen, die abends von einheimischen Kindern mit Laubschnitt gefüttert werden.

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Auch Eustache Sarde's Haus steht noch,

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dem sicher aus Denkmalschutzgründen auch kein Abriss drohen wird. Anders als diesem, seit langem geschlossenen kleinen Wellblechladen:

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Es gibt es noch, das alte La Digue, aber man muß genau hinschauen.

Die alte Tankstelle, aus jener Zeit, als die zwei auf La Digue fahrenden Autos eine den Charakter der Insel betonende Ausnahme darstellten, repariert jetzt Fahrräder und Elektrobuggys

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und vermutlich auch die zahlreichen verbrennungsmotorgetriebenen Fahrzeuge der Insel, die permanent überall auf der Insel herumfahren und das Radfahren zu einer Konzentrationsaufgabe machen.

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Zuletzt geändert von Suse am 18 Nov 2017 13:17, insgesamt 3-mal geändert.
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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Im Inderladen hole ich mir Samosas, dann geht es zurück Richtung l’Union Estate und weiter bis zum Schildkrötenfelsen. Ich habe einen der letzten Tage erwischt, an denen der Eintritt 100 Rupien kostet, wenige Tage später wird der Preis auf 125 Rupien angehoben.

Eine der großen Kröten im Gehege bekommt eine ausgiebige Streicheleinheit

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was ihr sichtlich gefällt

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Auf der der Rückseite des Monolithen setze ich mich dann zwischen die Kühe auf einem Baumstamm. Meine Fotos erheben ja keinen Anspruch auf technische Qualität, aber ich hoffe, dieses fängt ein bißchen ein, wie herrlich afrikanisch die Stimmung hier ist.

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Das Mare Soupap ist tatsächlich wieder voller Wasser, das alte Ausmaß der ehemaligen Sumpfgebiete im Inselinneren wird sich natürlich nicht mehr herstellen lassen, aber immerhin. Ich sehe Reiher und Krabben und versuche, mit meiner Samosas-Tüte nicht allzusehr herumzurascheln.

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Dann geht es vorbei an Azhars und Tyangomans altem Paddock, der nun langsam verfällt, seit die beiden auf Mahé untergebracht sind,

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zur Pflanzervilla. Hier lockt Werbung, das Gebäude von innen anzusehen, es sei jetzt ein Museum. Tatsächlich befindet sich im Inneren eine Ausstellung traditionellen Mobiliars, zukünftig sollen noch Ausstellungen lokaler Maler hinzukommen. Gefällt mir ganz gut, die Idee, das Gebäude so zu nutzen. Auch drum herum wird gefegt, gegärtnert und repariert.

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Die Souvenirbuden sind voller Menschen, die mit Namensschildern ausgerüsteten Guides weisen darauf hin, daß heute Kreuzfahrttag ist. Da ich gern Vanille kaufen würde, warte ich eine Weile ab, bis sich die Menschentraube auflöst, und stöbere ein bißchen herum. Seltsamerweise finde ich keine Vanilleschoten, die es früher hier in großen Bündeln gab. Die Vanille der Seychellen ist zwar qualitativ nicht mit der der Réunion oder Madagaskars zu vergleichen und im Verhältnis gesehen auch teurer, aber natürlich immer noch deutlich günstiger als eine einzelne Dr. Oetker-Schote für 2,98 Euro im Glasröhrchen. Kein Wunder, daß Dr. Oetker sich eine Insel wie Frégate leisten kann.

Ich frage die Verkäuferin nach den Schoten, daraufhin fragt sie zurück, ob ich denn die Plantage schon gesehen hätte, welche Farbe die dort spriessende Vanille gehabt hätte und was mir das denn sagen würde? Nach dem kleinen Fragenkatalog zu urteilen, will sie auf etwas Bestimmtes hinaus, mir erschließt sich aber nicht sofort, was. Naja, sagt sie, die Vanille, die ich gesehen hätte, sei doch sicher grün gewesen, und was das zu bedeuten hätte, sei doch wohl klar. Es sei Frühling jetzt, man beginne gerade erst mit dem Bestäuben, wie ich denn da jetzt nach Schoten fragen könne, es sei doch klar, daß es jetzt keine gebe. Ach so, sage ich, die getrockneten Schoten, von denen es früher hier das ganze Jahr hindurch in 100 Gramm-Bündeln zu kaufen gegeben habe, die sei dann wohl ausverkauft?
Vanilleessenz könne ich haben, pure oder fünfzigprozentige, bietet sie mir leicht gereizt an. Ich will mich ja auch gar nicht mit ihr streiten, mir ist schon klar, daß die Ausbeute der ja nicht sehr großen Plantage auf dem l’Union Estate für die wachsenden Touristenmengen wahrscheinlich schon lange nicht mehr ausreicht. Natürlich ist es unternehmerisch klüger, die Vanille als Extrakt zu strecken. Aber schade ist es schon, ich hatte die Schoten für die Weihnachtsgeschenkeproduktion dieses Jahres eigentlich fest eingeplant. Essenz habe ich auch bereits in Victoria auf dem Markt gekauft, deutlich günstiger als hier. Also wird sie an mich nichts los und wirkt leicht verärgert. Erst Widerworte haben und dann nichts kaufen, so macht man sich nicht beliebt.

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Auf dem Parkplatz vor dem Lanbousir parken viele Fahrräder. Damit habe ich zwar gerechnet, aber nicht damit, daß es solche Mengen sind und daß die Gäste auch mit dem Taxi kommen.

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Während ich mein Rad anschließe, ist gerade Schichtwechsel bei den Marron-Guides. Die Gäste, die vereinzelt oder in größeren Gruppen hinterherkommen, erkennt man unzweifelhaft an ihren bis zu den Oberschenkeln durchweichten Hosen. Es sind viele, aber auch das war ja zu erwarten.

Worauf ich nicht vorbereitet war, ist die Kette von weißen Souvenirbuden, die sich bis zum Beginn des parallel zum Strand verlaufenden Sandpfades hinziehen.

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Vier Weihnachtsmarkthütten stehen derzeit da.

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Eine Shoppingmeile zieht sich zum schönsten Strand La Digues? Mir fällt nichts mehr ein.
Zuletzt geändert von Suse am 18 Nov 2017 12:49, insgesamt 1-mal geändert.
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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Der positive Effekt des letzten Source-Erlebnisses: Die Menschenmengen können mich nicht mehr erschrecken. Das, was wir an einem Nachmittag 2011 hier erlebt haben, ist durch nichts zu toppen. Heute entdecke ich auch nur ein einziges Brautpaar in Begleitung eines nicht ganz unbekannten Hochzeitsfotografen und eines Seychellois als Reflektorschirmhalter, den ich vor vielen Jahren als Ochsentaxichauffeur kennengelernt habe. So ändern sich die Zeiten…

In jeder Ecke, in jedem Winkel liegen Menschen, auch der Hochzeitspavillon wird zweckentfremdet.

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Es werden nicht weniger, je weiter ich nach hinten gehe, eher mehr. Eine zweite Strandbar ist im hinteren Bereich der Source entstanden, ein ziemlich großer Laden, gut besucht, auch eine Gruppe Marronwanderer mit feuchten Hosen steht noch dort.

Ich suche mir ein Fleckchen zwischen dem Granit, mehrmals treten andere Menschen auf der Suche nach einem Platz für ihr Handtuch um Haaresbreite auf mich, weil ich hier so versteckt zwischen drei Felsen wie in einem kleinen Zimmer liege.
Den Rückzug tritt einer mit einem genervten Schnaufen an. Ja, der Konkurrenzdruck ist groß, hier an der Source, nicht nur unter Hochzeitsfotografen, auch unter den Badenden.

Nachdem ich der Bräune aus dem Münzmallorca soviel echtes Sonnenlicht hinzugefügt habe, wie ich dem Lichtschutzfaktor 50 zutraue, zwänge ich mich in ein Rashguard-T-Shirt und suche ich mir, wie gewohnt, einen kleinen Tümpel im flachen Wasser zwischen den Korallenblöcken, sitze da, rechts und links von mir zumeist andere Frauen, während die dazugehörigen Herren sich mehr oder weniger geschickt im Felsenklettern versuchen.

Was von der früheren Atmosphäre der schönen Source noch übrig war, dem gibt der Strandbarbesitzer den Rest, der mehrmals an diesem Nachmittag in einer beachtlichen Bugwelle mit seinem Jetski frische Eiswürfel bringt. Gekühlte Cocktails verkaufen sich halt besser. Zumindest ist es ein Zeichen, daß noch keine Stromleitungen bis hierher verlegt wurden.

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Zu dem Jetski, der im Uferbereich zwischen den Sitzbadnehmenden geparkt wird, gesellt sich eine größere Gruppe Kanus, die bei einsetzender Flut aus Richtung Anse La Réunion herangepaddelt kommt.

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Als gegen 17 Uhr das Kassenhäuschen des Estate schließt, setzt erst die richtige Pilgerwanderung zum Strand ein. Es wird gegen Abend, jetzt wo das Licht schön wird, immer voller und neue Eiswürfel werden benötigt.

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Während ich im einsetzenden Sonnenuntergang langsam zurückgehe, betrachte ich die Szenerie und denke, daß es wohl unmöglich ist, die Schönheit der Anse d'Argent zu zerstören.

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Aber ihre Atmosphäre, die ist eine andere geworden. Es ist nicht so, daß ich diesen Strand etwa für mich allein beanspruchen wollen würde, wie es gern unterstellt wird, wenn man den boomenden Tourismus kritisiert. Für mich muß ein Strand nicht einmal völlig menschenleer sein, damit ich ihn schön finde. Aber das hier ist einfach zu viel.

Warum gibt es kein Maßhalten hier auf den Seychellen, warum hat man nur die Wahl zwischen den Extremen der Luxushotellerie auf von der Außenwelt abgeschnittenen und unter hohem Kostenaufwand zugänglichen Resorts und den drei zum internationalen Massenabschuß freigegebenen Inseln? Was ist aus der Kappungsgrenze geworden, von der alle hätten profitieren können? Was wohl in ein paar Jahren aus La Digue werden wird, wenn man hier so weitermacht? Ob Naturschutzbehörden dem entgegenwirken können, die fragilen Habitate von Witwen und Torti Soupap zu erhalten? Oder werden es am Ende nur einige wenige Reiche sein, die die Seychellen auf wenigen geschützten Inseln noch in einem halbwegs natürlichen Zustand sehen können?

Eine vollständig renaturierte Insel einmal zu besuchen, das war auch seit langem mein Wunsch, der nach der Lektüre der Orange Omelettes erneut geweckt wurde. Die Seychellen einmal in ihrem Ursprungszustand sehen, wie Frégate, ein ferner Traum. Näher gelegen wäre Cousine, die geheimnisvolle, die weder durch Schlagzeilen, noch Marketing auffällt.
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Cherry
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Cherry »

Suse hat geschrieben: Bild
Ich musste 3x hinschauen, dachte erst, da hat sich versehentlich ein "falsches" Foto in den Reisebericht verirrt.
Das sieht ja aus, wie eine typische Reihenhaussiedlung in Deutschland. :?

Ich find's einfach nur traurig, was da, im speziellen mit La Digue, passiert. Einfach nur unglaublich. :shock:
Wir waren letztes Jahr im Sommer längere Zeit dort und anhand der jetztigen Bilder kann ich eine (weitere) enorme Wandlung innerhalb nur 1nes Jahres feststellen. Zum Kotzen.

Es ist abzusehen, wohin die Reise führt, wenn in der gleichen Geschwindigkeit alles weiter zerstört wird, was diese Insel aus(ge)macht (hat). Das widerspricht jeglichen Aussagen wofür sich die Seychellen Behörden rühmen und die Seychellen (und insbesondere La Digue) von ihnen angepriesen werden. Die Reiseveranstalter sind davon nicht ausgenommen.
Zuletzt geändert von Cherry am 18 Nov 2017 15:25, insgesamt 1-mal geändert.
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Pico
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Pico »

:shock:
Es ist zum... Heulen, nenne ich es mal ganz romantisch verharmlost.

Die Bautätigkeiten z.B. an der Anse Roche und Anse Gaulettes waren letztes Jahr im Oktober noch nicht da, wäre mir wohl aufgefallen.

Es ist gigantisch, was da alles entsteht, das hat mit einer normalen Entwicklung ja gar nichts mehr zu tun. Schade um La Digue, die Magie, das Flair, endgültig verloren. Mich zieht es da nicht mehr hin.

Habe heute im neuen Dumont-Reiseführer geblättert, leider habe ich im Nachhinein nicht auf das Druckdatum geachtet. Aber nur als Besispiel: es gäbe dort nur etwa einige Dutzend motorisierte Fahrzeuge: Taxen und Versorgungsfahrzeuge. Klar zig x ein Dutzend, dann passt´s...
Kann man alles in die Tonne kloppen...

Was für ein frustierender Ort diese ehemalige Trauminsel geworden ist. :(
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ronjalynn
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von ronjalynn »

Mir fehlen die Worte......

@Pico: Der neueste Seychellen Dumont ist am 24.10.17 in der 4. Auflage erschienen.
Der davor stammt aus 2015.

LG
Lache nicht über jemanden, der einen Schritt zurück macht.
Er könnte Anlauf nehmen.
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mr.minolta
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von mr.minolta »

Pico hat geschrieben:Habe heute im neuen Dumont-Reiseführer geblättert...
Kann man alles in die Tonne kloppen...
Man weiß ja auch nur zu genau, aus welcher Ecke dieses Machwerk stammt...
Pico hat geschrieben:Trauminsel
:wink:
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Pico
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Pico »

mr.minolta hat geschrieben:Man weiß ja auch nur zu genau, aus welcher Ecke dieses Machwerk stammt...
Ist mir durchaus bekannt. ;-)

Dürfte aber wohl für anderen Reiseführer genauso gelten. Aber dieser stammt ja von einem der es tatsächlich besser wissen sollte und der Reiseführer sogar gemäß Auflage topaktuell, wie ronjalynn geschrieben hat. Nur inhaltlich offensichtlich wieder nicht. Ist halt nicht so gut für´s Geschäft...
Aitutaki
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Aitutaki »

Hallo Suse,
vielen Dank für Deinen Bericht. Du sprichst mir so aus der Seele. Wir waren im August und uns wurde immer gesagt es wäre nur im August so heftig. Aber wenn ich Deine Bilder sehe, scheint es, als wärst Du auch im August dort gewesen.
Angesprochen auf dieses Thema wird man aus Facebookgruppen geschmissen oder Mundtot gemacht. Wir sind so enttäuscht von La Digue. Wir haben dort vor 13 Jahren geheiratet und hofften "unser" kleines Paradies den Kindern zeigen zu können. Aber der Verkehr dort machte mir Angst um die 2 Kids.
Auf Hiddensee, Langeoog oder den anderen deutschen "autofreien" Inseln, wird wirklich in Schritttempo gefahren (Wenn mal ein Auto kommt).
Aber auf La Digue war es durch das Balzgehabe der "jungen" Autobesitzer lebensgefährlich für Kinder. Am Berg von der Grand Anse kommend, wurden wir grölend und motoraufheulend überholt, scheinbar megastolz auf den eigenen Pickup mit halbnackten italienerinnen.
An viele Ecken von La digue haben wir die Räder geschoben oder sind gar nicht mehr hin gefahren. Mein Mann sagte mal zu mir, ich würde übertreiben. Aber Deinen Bericht kann ich absolut unterschreiben. Wir wurden im August auf La Digue von 4 übersteuerten Megaboxen am Jetty empfangen. Anlässlich "Maria Himmelfahrt`s" wurde eine Techno/ GangsterRap/Sega Party 4 Tage lang "gefeiert". Unsere persönlicher Thailand-Full-moon-Party-Alptraum.

La Digue werden wir leider nicht wieder besuchen :( .

Unsere Reisebüro sagte aber, auf meine Bedenken im Vorfeld, es wurde nur ein wenig renoviert :twisted:
Zuletzt geändert von Aitutaki am 18 Nov 2017 18:11, insgesamt 2-mal geändert.
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mr.minolta
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von mr.minolta »

Pico hat geschrieben:Aber dieser stammt ja von einem der es tatsächlich besser wissen sollte ...
So ist es.

Aber wer die Hintergründe nicht kennt, wird nach erstmaliger Ankunft auf La Digue, den Kfz-Wahnsinn realisierend, bestenfalls eine schlechte Recherche unterstellen. Die aktuelle Anzahl existenter Fahrzeuge würde mich mal interessieren, dabei dürfte es aber inzwischen unmöglich sein, sie vor Ort abzuzählen und die Polizei, die ich noch vor Jahren danach befragte, weiß es vielleicht auch nicht mehr so genau. Ich glaube, es war 2010, da sprachen sie von ca. 100 Fahrzeugen. Heute also 200? Und noch krasser ist die Zahl "touristischer Einrichtungen" auf La Digue. Das Ministerium nannte über 200, das war vor etwa einem Jahr.

Absolut unfaßbar, einfach nur krank.

Hoch 11.
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mr.minolta
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von mr.minolta »

Aitutaki hat geschrieben:Anlässlich "Maria Himmelfahrt`s" wurde eine Techno/ GangsterRap/Sega Party 4 Tage lang "gefeiert".
...megastolz auf den eigenen Pickup mit halbnackten italienerinnen.
La Digue, die beschauliche Insel der Ochsenkarren.

Aber das Geilste ist, daß dieser kranke Wahnsinn in absehbarer Zeit kein Ende haben wird. Die werden damit so lange weitermachen, bis der Weltmarkt für Beton zusammenbricht und der deutsche Tourist sich in den Reihenhaussiedlungen La Digues wie zuhause fühlen wird.
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Scharly123
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Scharly123 »

Danke, Suse, für die so oder so beeindruckenden Bilder. Ein toller Schreibstil, sehr ehrlich und mitreißend.
LG,
Scharly
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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Frenki hat geschrieben:
Pico hat geschrieben: Die Bautätigkeiten z.B. an der Anse Roche und Anse Gaulettes waren letztes Jahr im Oktober noch nicht da, wäre mir wohl aufgefallen.
... doch Pico, ich glaube sie waren da. Ich habe im Juni 2017 von diesem Wahnsinn berichtet. Auch die im Bau befindliche Straßenbeleuchtung (bis zu dem Jules ihm seiner Bude!) fand Erwähnung. Du hast natürlich Recht: zum Kotzen!

Suses Bericht bewegt mich zutiefst. Der von Robby dürfte ähnlich schonungslos ausfallen. Sehr positiv anzumerken wäre an dieser Stelle, dass derartige Fakten in diesem Forum nicht der Zensur unterliegen. Dank an Lars!
Ja, ich bin mir schon bewußt, daß ich sicher vieles wiederhole, das in anderen Reiseberichten bereits stand oder zu sehen war. An Pico mußte ich während des Aufenthalts mehrmals denken und den Reisebericht habe ich mir sogar nochmals durchgelesen, bevor ich über La Digue zu schreiben anfing, damit ich nicht immerzu die gleichen Formulierungen benutze. Aber man kann es kaum vermeiden, es löst bei allen, die das mit Schrecken beobachten, was da abläuft, doch wohl die gleichen Reaktionen aus.

Reihenhaussiedlungsbilder werden auch noch mehr kommen. :wink: Aber jetzt erstmal ein schönes Intermezzo. :D
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Suse
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Re: Palmen, Pest und Platten - Seychellen Oktober 2017

Beitrag von Suse »

Am nächsten Morgen bin ich früh auf, im Haus schläft alles noch tief und fest und die Hunde schnarchen auf der Terrasse, als ich etwas ratlos vor dem Kleiderschrank stehe und aus meinen wenigen Klamotten etwas auswähle, in dem man eine rauhe Bootsfahrt und eine Vogelbeobachtungstour überstehen und trotzdem später ein feines Essen essen kann.

La Digue ist um diese Uhrzeit noch fast menschenleer, fast nur Einheimische auf dem Weg zur Arbeit sind unterwegs, die Wege liegen noch im Schatten. Und so radele ich in einen der schönsten Tage dieses Urlaubs hinein zur Jetty und fahre mit der ersten Fähre hinüber nach Praslin.

Auf Praslin bin ich um halb 9 verabredet, da bleibt noch Zeit für ein kleines Frühstück im Port Side Café. Und eine kurze Lektion, wie man auf den Seychellen, den Inseln der Lifestyler und Selfieschützen, den eigenen Coolnessfaktor höher katapultiert, als jede Drohne fliegen kann. Und das geht so:

Ein Fährticket round trip mit der Cat Rose’s – 431 Rupees.
Ein Sandwich im Port Side Café – 60 Rupees.
An allen vor der Cat Cocos stehenden Warteschlangen vorbeistolzieren und in sein eigenes Charterboot steigen? Unbezahlbar!

Meine Verabredung heißt Spanish Dancer und ihr Besitzer Dereck. Nach einem kurzen Gespräch über die strengen Restriktionen, die unser Zielort fremden Booten auferlegt, legen wir ab und fahren langsam aus der Baie Ste. Anne, passieren ein paar Fischerboote, die ihre Reusen einholen

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und nehmen Kurs nach Nordwest.

Dereck ist eher der stille Typ, er macht nicht viele Worte, aber was er erzählt, ist spannend. Er könne nicht so schnell fahren, erklärt er mir unterwegs, da er heftig gegen die Strömungen aus Nordwest ansteuern müsse. Diese Strömungen seien stark und hätten von jeher die Seefahrer zielsicher auf die in der Weite des Ozeans verschwindend kleinen Seychellen geführt. Seeleute wie Dereck können die Wasseroberfläche vermutlich lesen wie andere Leute Bücher. Ich sehe die Strömungen leider nicht, aber fühlen tue ich das heftige Geschaukel durchaus. Ich bin aber seefest und mir macht die Fahrt viel Spaß.

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Eigentlich könnte es ruhig noch länger dauern. Aber nach einer knappen Stunde sind wir am Ziel und ich staune über den weißesten Strand und das türkiseste Wasser, das ich je gesehen habe.

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Dereck darf das Boot nicht anlanden und auch nicht selbst ankern, aber das weiß er alles. Die Spanish Dancer muß einige hundert Meter vor dem Ufer an einer Ankerboje befestigt werden. Während er das tut, rührt sich auf der Insel etwas, eine Gruppe Menschen schiebt ein kleines Mini Mahé zu Wasser und kommt uns entgegen. Wir werden herzlich begrüßt und Dereck, der eigentlich darauf eingestellt war, auf dem Boot mehrere Stunden auf meine Rückkehr warten zu müssen, wird eingeladen, mit an Land zu kommen. Das kleine Beiboot saust mit Vollgas auf den Strand und dann sind wir am Ziel. Wir sind auf Cousine!

Daß ich hier bin, ist ein gewaltiger Zufall und perfektes Timing. Mitten in meine Reiseplanungen, während ich Wahlhaiexkursionen und einen Ausflug nach Moyenne kritischer Betrachtung unterzog, traf ein Zeitungsartikel, der mich veranlaßte, alle bisher erwogenen Bootsausflüge sprichwörtlich über Bord zu werfen.

https://eturbonews.com/161233/seychelle ... ure-lovers

Über die Entscheidung der Inselleitung, die bis in die frühen 2000er Jahre völlig abgeschottete Insel für Tagesausflügler zu öffnen, kann man nur spekulieren. Die Naturschutzaktivitäten auf Cousine finanzieren sich allein aus den touristischen Einrichtungen, seit der Eigentümer, Malcolm Keeley, der seine Millionen ironischerweise mit Granithandel gemacht hat, sich entschloss, dort ein Resort zu eröffnen.

An Unterkünften gibt es lediglich zwei kleinere Bungalows und eine sogenannte Presidential Villa, die erst mit der letzten Umgestaltung 2015 errichtet wurde.

http://www.luxurytravelmagazine.com/new ... -24853.php

Sicher spielt nicht nur der Wunsch, die in ihren Ursprungszustand zurückversetzte Natur mehr Menschen als den wenigen, die sich die 2000 Euro-Unterkünfte leisten können, nahezubringen eine Rolle. Daß in dem ca. fünfstündigen Aufenthalt nicht nur ein Conservation Talk und ein Conservation Walk mit Führung durch einen Biologen, sondern auch ein dreigängiges Menü allerfeinster Kochkunst und ein Rundgang – sofern verfügbar – durch die Bungalows einschließlich Presidential Villa enthalten sind, läßt auch den Wunsch nach einem gewissen Werbeeffekt erkennen. Aber welche Motivation Cousine Island auch haben mag, die Gelegenheit war einmalig, eine Insel zu besuchen, auf die ich auf andere Weise wohl sonst nicht gelangen würde.

Um Cousine, deren Renaturierungsprozeß schon seit längerem abgeschlossen ist, und die in der wenigen Werbung, die die Insel für sich macht, damit punkten kann, hier sehe man die Seychellen so, wie vom Menschen unberührt, vor der Wiedereinführung invasiver Spezies durch die Besucher zu schützen, gibt es ein striktes Anlandungsprotokoll.

So hat sich ein Besucher damit einverstanden zu erklären, vor Betreten der Insel die Taschen durchsuchen zu lassen, ebenso die oben bereits erwähnten Restriktionen, die dem Transferboot auferlegt werden. Der Transfer selbst wird durch Cousine nicht geleistet, zum damaligen Zeitpunkt wurde der Ausflug noch durch keinen Bootscharter angeboten, so daß ich selbst gefordert war, etwas zu finden. Meine Wahl fiel schließlich auf Dereck, weil er auf meine Emailanfragen am zuverlässigsten antwortete und außerdem der Günstigste war. Wie ich finde, eine gute Kombination. ;-)

In dem großzügigen, luftigen Haupthaus werden wir von der Hausdame der Insel sowie zwei Biologen in Empfang genommen.

In positiver Weise bemerkenswert fand ich, daß Dereck als einheimischer Seychellois völlig selbstverständlich mit auf die Insel gebeten wurde und sowohl an der Führung als später auch am Mittagessen teilnehmen durfte ohne dafür etwas zahlen zu müssen.

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Beim Vorgespräch vor Beginn der Inselführung kann ich dann dank des aus Chris Feares Buch erworbenen Wissens die Frage, worauf ich mich denn auf Cousine am meisten freue, sogar beantworten. Den Seychelles Warbler möchte ich sehen, weil ich das, was Chris Feare über ihr Brutverhalten schilderte, so spannend fand. Bei dieser Vogelart helfen Großelterntiere, die nicht mehr, und Kinder älterer Generationen, die noch nicht selbst brüten, der Elterngeneration bei der Aufzucht des aktuellen Nachwuchses. Vermutlich geschieht dies, um auf dem begrenzten Raum Territorialstreitigkeiten zu vermeiden, richtig erforscht ist das aber nicht. Daß dieses Verhalten nicht nur die Grasmücken, sondern hier auch die Magpie Robins zeigen, von denen es auf Cousine eine stabile Population gibt, erfahre ich dann erst hier.

Während wir sitzen und uns unterhalten, schwirren bereits unzählige Vögel, vor allem Seychellenfodys, die ja viel unscheinbarer sind als die Madagskarfodys, und die ich wissentlich auch noch nie in natura gesehen habe, durch das Haupthaus und landen auf Tischen, Stühlen und Sofakissen.

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Wie man das alles sauber bekäme, wo es doch so feine Stoffe seien, fragt Dereck. Viel Handwäsche, lautet die Antwort.

Dann marschieren wir los. Geführt werden wir von Chloe, während andere Mitarbeiter sich auf den Stränden auf die Suche nach Schildkröten machen. Vielleicht haben wir ja Glück, die Eiablagesaison hat gerade begonnen.

Sobald man das Haupthaus verläßt und die schmalen Pfade betritt, die das Plateau der Insel durchziehen,

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ist man umgeben von Vögeln und Schildkröten. Sunbirds, Seychellenfodys, Magpie Robins, Braune und Lesser Noddies sehen wir schon in den ersten Minuten. Die Tiere sind an Menschen gewöhnt und nicht sehr scheu.
Zuletzt geändert von Suse am 19 Nov 2017 12:23, insgesamt 1-mal geändert.
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