Am nächsten Morgen bin ich früh auf, im Haus schläft alles noch tief und fest und die Hunde schnarchen auf der Terrasse, als ich etwas ratlos vor dem Kleiderschrank stehe und aus meinen wenigen Klamotten etwas auswähle, in dem man eine rauhe Bootsfahrt und eine Vogelbeobachtungstour überstehen und trotzdem später ein feines Essen essen kann.
La Digue ist um diese Uhrzeit noch fast menschenleer, fast nur Einheimische auf dem Weg zur Arbeit sind unterwegs, die Wege liegen noch im Schatten. Und so radele ich in einen der schönsten Tage dieses Urlaubs hinein zur Jetty und fahre mit der ersten Fähre hinüber nach Praslin.
Auf Praslin bin ich um halb 9 verabredet, da bleibt noch Zeit für ein kleines Frühstück im Port Side Café. Und eine kurze Lektion, wie man auf den Seychellen, den Inseln der Lifestyler und Selfieschützen, den eigenen Coolnessfaktor höher katapultiert, als jede Drohne fliegen kann. Und das geht so:
Ein Fährticket round trip mit der Cat Rose’s – 431 Rupees.
Ein Sandwich im Port Side Café – 60 Rupees.
An allen vor der Cat Cocos stehenden Warteschlangen vorbeistolzieren und in sein eigenes Charterboot steigen? Unbezahlbar!
Meine Verabredung heißt Spanish Dancer und ihr Besitzer Dereck. Nach einem kurzen Gespräch über die strengen Restriktionen, die unser Zielort fremden Booten auferlegt, legen wir ab und fahren langsam aus der Baie Ste. Anne, passieren ein paar Fischerboote, die ihre Reusen einholen
und nehmen Kurs nach Nordwest.
Dereck ist eher der stille Typ, er macht nicht viele Worte, aber was er erzählt, ist spannend. Er könne nicht so schnell fahren, erklärt er mir unterwegs, da er heftig gegen die Strömungen aus Nordwest ansteuern müsse. Diese Strömungen seien stark und hätten von jeher die Seefahrer zielsicher auf die in der Weite des Ozeans verschwindend kleinen Seychellen geführt. Seeleute wie Dereck können die Wasseroberfläche vermutlich lesen wie andere Leute Bücher. Ich sehe die Strömungen leider nicht, aber fühlen tue ich das heftige Geschaukel durchaus. Ich bin aber seefest und mir macht die Fahrt viel Spaß.
Eigentlich könnte es ruhig noch länger dauern. Aber nach einer knappen Stunde sind wir am Ziel und ich staune über den weißesten Strand und das türkiseste Wasser, das ich je gesehen habe.
Dereck darf das Boot nicht anlanden und auch nicht selbst ankern, aber das weiß er alles. Die Spanish Dancer muß einige hundert Meter vor dem Ufer an einer Ankerboje befestigt werden. Während er das tut, rührt sich auf der Insel etwas, eine Gruppe Menschen schiebt ein kleines Mini Mahé zu Wasser und kommt uns entgegen. Wir werden herzlich begrüßt und Dereck, der eigentlich darauf eingestellt war, auf dem Boot mehrere Stunden auf meine Rückkehr warten zu müssen, wird eingeladen, mit an Land zu kommen. Das kleine Beiboot saust mit Vollgas auf den Strand und dann sind wir am Ziel. Wir sind auf Cousine!
Daß ich hier bin, ist ein gewaltiger Zufall und perfektes Timing. Mitten in meine Reiseplanungen, während ich Wahlhaiexkursionen und einen Ausflug nach Moyenne kritischer Betrachtung unterzog, traf ein Zeitungsartikel, der mich veranlaßte, alle bisher erwogenen Bootsausflüge sprichwörtlich über Bord zu werfen.
https://eturbonews.com/161233/seychelle ... ure-lovers
Über die Entscheidung der Inselleitung, die bis in die frühen 2000er Jahre völlig abgeschottete Insel für Tagesausflügler zu öffnen, kann man nur spekulieren. Die Naturschutzaktivitäten auf Cousine finanzieren sich allein aus den touristischen Einrichtungen, seit der Eigentümer, Malcolm Keeley, der seine Millionen ironischerweise mit Granithandel gemacht hat, sich entschloss, dort ein Resort zu eröffnen.
An Unterkünften gibt es lediglich zwei kleinere Bungalows und eine sogenannte Presidential Villa, die erst mit der letzten Umgestaltung 2015 errichtet wurde.
http://www.luxurytravelmagazine.com/new ... -24853.php
Sicher spielt nicht nur der Wunsch, die in ihren Ursprungszustand zurückversetzte Natur mehr Menschen als den wenigen, die sich die 2000 Euro-Unterkünfte leisten können, nahezubringen eine Rolle. Daß in dem ca. fünfstündigen Aufenthalt nicht nur ein Conservation Talk und ein Conservation Walk mit Führung durch einen Biologen, sondern auch ein dreigängiges Menü allerfeinster Kochkunst und ein Rundgang – sofern verfügbar – durch die Bungalows einschließlich Presidential Villa enthalten sind, läßt auch den Wunsch nach einem gewissen Werbeeffekt erkennen. Aber welche Motivation Cousine Island auch haben mag, die Gelegenheit war einmalig, eine Insel zu besuchen, auf die ich auf andere Weise wohl sonst nicht gelangen würde.
Um Cousine, deren Renaturierungsprozeß schon seit längerem abgeschlossen ist, und die in der wenigen Werbung, die die Insel für sich macht, damit punkten kann, hier sehe man die Seychellen so, wie vom Menschen unberührt, vor der Wiedereinführung invasiver Spezies durch die Besucher zu schützen, gibt es ein striktes Anlandungsprotokoll.
So hat sich ein Besucher damit einverstanden zu erklären, vor Betreten der Insel die Taschen durchsuchen zu lassen, ebenso die oben bereits erwähnten Restriktionen, die dem Transferboot auferlegt werden. Der Transfer selbst wird durch Cousine nicht geleistet, zum damaligen Zeitpunkt wurde der Ausflug noch durch keinen Bootscharter angeboten, so daß ich selbst gefordert war, etwas zu finden. Meine Wahl fiel schließlich auf Dereck, weil er auf meine Emailanfragen am zuverlässigsten antwortete und außerdem der Günstigste war. Wie ich finde, eine gute Kombination.
In dem großzügigen, luftigen Haupthaus werden wir von der Hausdame der Insel sowie zwei Biologen in Empfang genommen.
In positiver Weise bemerkenswert fand ich, daß Dereck als einheimischer Seychellois völlig selbstverständlich mit auf die Insel gebeten wurde und sowohl an der Führung als später auch am Mittagessen teilnehmen durfte ohne dafür etwas zahlen zu müssen.
Beim Vorgespräch vor Beginn der Inselführung kann ich dann dank des aus Chris Feares Buch erworbenen Wissens die Frage, worauf ich mich denn auf Cousine am meisten freue, sogar beantworten. Den Seychelles Warbler möchte ich sehen, weil ich das, was Chris Feare über ihr Brutverhalten schilderte, so spannend fand. Bei dieser Vogelart helfen Großelterntiere, die nicht mehr, und Kinder älterer Generationen, die noch nicht selbst brüten, der Elterngeneration bei der Aufzucht des aktuellen Nachwuchses. Vermutlich geschieht dies, um auf dem begrenzten Raum Territorialstreitigkeiten zu vermeiden, richtig erforscht ist das aber nicht. Daß dieses Verhalten nicht nur die Grasmücken, sondern hier auch die Magpie Robins zeigen, von denen es auf Cousine eine stabile Population gibt, erfahre ich dann erst hier.
Während wir sitzen und uns unterhalten, schwirren bereits unzählige Vögel, vor allem Seychellenfodys, die ja viel unscheinbarer sind als die Madagskarfodys, und die ich wissentlich auch noch nie in natura gesehen habe, durch das Haupthaus und landen auf Tischen, Stühlen und Sofakissen.
Wie man das alles sauber bekäme, wo es doch so feine Stoffe seien, fragt Dereck. Viel Handwäsche, lautet die Antwort.
Dann marschieren wir los. Geführt werden wir von Chloe, während andere Mitarbeiter sich auf den Stränden auf die Suche nach Schildkröten machen. Vielleicht haben wir ja Glück, die Eiablagesaison hat gerade begonnen.
Sobald man das Haupthaus verläßt und die schmalen Pfade betritt, die das Plateau der Insel durchziehen,
ist man umgeben von Vögeln und Schildkröten. Sunbirds, Seychellenfodys, Magpie Robins, Braune und Lesser Noddies sehen wir schon in den ersten Minuten. Die Tiere sind an Menschen gewöhnt und nicht sehr scheu.