Am nächsten Morgen hat sich der Wind, der auf der Fahrt von Miami hierher bereits stark nachgelassen hat, vollständig gelegt und es ist sehr heiß. Bei unserem letzten Besuch in Key West haben wir in einem Motel ganz in der Nähe gewohnt, aber der Marsch vom El Patio bis an den Hafen zieht sich weit mehr, als wir das in Erinnerung hatten. Die Simonton Street kommt uns endlos vor, und obwohl wir oft stehenbleiben, die Häuser bewundern oder mit Bedauern die Schäden betrachten, die Irma 2017 hinterlassen hat, geht uns das Latschen in der Hitze ziemlich bald auf den Keks.
Irgendwann sind wir am Hafen angekommen und der erste Weg führt uns direkt zum Tickethäuschen des Dry Tortugas Nationalparks. Die Dry Tortugas, so genannt, weil es auf ihnen kein Süßwasser gibt, sind eine kleine Inselgruppe einige Meilen vor Key West, und das auf einer dieser Inseln errichtete Fort aus Bürgerkriegszeiten ist einer der Lieblingsplätze meines Mannes mit für ihn unendlichen Fotomotiven.
http://www.drytortugasinfo.com/?gclid=E ... gJHFfD_BwE
Was mich betrifft, ist meine Begeisterung für das Gebäude nicht ganz so groß wie seine; es ist imposant und als historisches Denkmal natürlich interessant. Es lohnt sich, es mindestens einmal zu besuchen und auch eine Führung zu buchen. Als noch viel spannender empfand ich jedoch die ungefähr zweieinhalbstündige Fahrt mit der Fähre mit dem passenden Namen Yankee Freedom, von der aus ich so ziemlich alles gesehen habe, was es in den flachen Wassern der Karibischen See so zu sehen gibt, Delphine, Haie und wunderschön leuchtende rote Karettschildkröten. Ganz nebenbei kann man sich mit amerikanischer Haute Cuisine wie Toast mit köstlicher Erdnussbutter und Gelee vollstopfen, so daß ich nach etwas Überlegung doch noch mal für einen weiteren Ausflug zum Fort zu überreden war. Der Spaß ist nämlich nicht ganz billig, aber das muß uns letztlich nicht kümmern, denn wie wir erfahren, sind sämtliche Fähren für alle 5 Tage, an denen wir in Key West sein werden, ausgebucht. Die einzige Chance, so sagt die Dame am Schalter, sei es, wenn jemand sein Ticket storniere, so daß wir entscheiden, uns heute am Hafen aufzuhalten und regelmäßig nachzufragen.
Ein bißchen frustriert stapfen wir von dannen und hoffen, daß wenigstens unsere zweite Unternehmung klappen wird, bei der wir auf freie Plätze angewiesen sind. Einen Sunset-Sail mit der America 2.0.
http://www.sail-keywest.com/browse-by-t ... s-cruises/
Hier im Hafen von Key West liegen viele große und auch schöne Schiffe, aber dieses sticht heraus mit seiner klassischen Eleganz. Auch wenn es natürlich ein Nachbau der echten America ist. Am Steg ist ein kleiner Tresen aufgebaut, dahinter ein seemännisch aussehender älterer Herr, der gerade auf seinem Laptop irgendein Jahrzehnte altes Formel 1-Video guckt.
Wir haben Glück, es sind jede Menge Plätze frei auf der America, die Wetteraussichten für eine Fahrt in den Sonnenuntergang mit kleinen Hors d’Oeuvres sind sehr gut. Natürlich hat dies dann nichts mit richtigem Segeln auf einem Rennboot zu tun, aber das ist ja auch gar nicht der Sinn der Sache, man kann ja kaum Häppchen essen und ein Schampusglas in der Hand halten, wenn das Boot mit Schlagseite in der Dünung krängt, oder wie man das nennt.
Unser Kartenverkäufer ist entzückt, daß wir aus Deutschland sind. Einmal auf dem Nürburgring fahren, das sei sein Traum. Ich persönlich finde Formel 1 ja noch mehr gähn als Fußball, auch Ayrton Senna und seine außergewöhnliche Karriere sind an mir komplett vorbeigegangen, aber mr. minolta und er haben jede Menge Gesprächsstoff. Wir bekommen dann auch einen kurzen Exklusivblick auf das Schiff sowie ein paar technische Erläuterungen gewährt, betreten dürfen wir es aber aus versicherungstechnischen Gründen vorab nicht. Mit unseren Tickets für den heutigen Abend, wandern wir zurück zum Fort Jefferson-Schalter, aber bislang hat niemand die Lust auf einen Ausflug zum Fort verloren, keine freien Plätze.
Hier, im hinteren Bereich des Hafens, liegen nur noch wenige größere Schiffe, die meisten sind kleinere Boote, die ihre Ausbeute der morgendlichen Ausfahrt im Hafen ausnehmen und in die Kraals werfen. Die Kraals, ein Relikt aus den Zeiten des industriellen Schildkrötenfangs, dienten früher dazu, die Schildkröten bis zum Abtransport lebend zu verwahren, und bilden heute den historischen Mittelpunkt des Hafens von Key West. Um sie herum haben sich einige Einrichtungen etabliert, die Schildkröten im weitesten Sinne zum Thema haben, vor allem das Turtle Cannery Museum.
https://www.keywestturtlemuseum.org/
Das Turtle Museum, früher eine Privatinitative, gehört heute zur immer größer werdenden Gruppe der von Mel Fishers Nachkommen betriebenen Einrichtungen, ist aber immer noch kostenlos zu besuchen, lebt von Spenden, dient vor allem wohltätigen, der Sache der Schildkröten dienenden Zwecken und arbeitet eng mit dem Turtle Hospital auf Marathon Key zusammen.
Drinnen gibt es unregelmäßige Erläuterungen, die an keinen bestimmten Zeitplan gebunden zu sein scheinen, sondern immer dann stattfinden, wenn sich genügend Besucher gleichzeitig aufhalten, der aufsichthabende Conch Lust hat oder ihm entsprechendes Interesse signalisiert wird. Was man zu hören und zu sehen bekommt, ist allerdings nicht nur schön, denn der Fang und die Verarbeitung der Schildkröten zu Suppe und zu Dosenfleisch wurde hier in Key West bis in die siebziger Jahre hinein betrieben und es gibt einiges an drastischen Bildern. Ich habe selbst als Kind noch Schildkrötensuppe gegessen, sie galt als Delikatesse und wurde von meiner Großmutter zu besonderen Anlässen auf den Tisch gebracht. Sie war nicht einmal besonders lecker, eher sehr salzig.
