
Diese hier soll die älteste sein, noch ein bißchen älter als die im Village Artisanal. Aus dunkel gebeiztem und auf Hochglanz lackiertem Holz ist sie gefertigt, so schön war das Kenwyn House in Victoria auch einmal. Daran muß ich jetzt wieder denken. Hoffentlich wird es nicht abgerissen.
Drinnen befindet sich ein kleiner Souvenirshop, in dem man auch Takamaka bekommt, und ein kleines Restaurant, dahinter ein Rundgang durch die Ruinen der ehemaligen Plantage sowie und ein kleines Schildkrötengehe.
Ich wandere ein bißchen auf dem Gelände herum und sage Hallo zu den Kröten.
Dann geht es ein letztes Mal hinauf zum Triskell, wie immer überholt von Einheimischen, die mit sagenhaftem Tempo über die Bremsbuckel donnern und es dennoch schaffen, ihre Auspufftöpfe nicht zu verlieren. Wie sie das machen, werde ich in diesem Urlaub nicht mehr herausfinden. Was den Steilhang angeht, haben Kia und ich inzwischen Routine. Was ich gemacht hätte, wäre die Straße während meines Aufenthalts einmal richtig regennass gewesen, weiß ich bis heute nicht, ich glaube nicht, daß der Wagen das dann geschafft hätte. Vermutlich hätte ich in der Albizia Lodge weiter unten am Berg um Erlaubnis gefragt, ihn dort parken zu dürfen. Bei der ersten Anfahrt zum Triskell gezahltes Lehrgeld hätte ich mir gern erspart, letztlich bereue ich die Wahl der Unterkunft aber nicht. Das war ein kleines Abenteuer und gehörte zum Gesamtpaket dazu. Überhaupt wird mir angesichts des baldigen Abschieds sowieso ganz traurig zumute. Wie wohl ich mich hier gefühlt habe, nicht nur wegen der unglaublich schönen Umgebung, sondern auch, weil ich von Natasha, Charlemagne und Benjamin wie ein Familienmitglied behandelt und aufgenommen wurde.
Am letzten Abend gibt es nochmal einen Karamellflan zum Dessert und ein Gespräch über La Digue.
Ich solle mich nicht wundern, sagt Natasha, La Digue werde sich in sechs Jahren sehr verändert haben. Früher sei La Digue für die Bewohner Mahés ein Urlaubsziel gewesen, wo man das einfache Leben gesucht habe, Ferien auf dem Land sozusagen. Das sei vorbei, La Digue habe seine Authentizität verloren, echtes kreolisches Leben gebe es dort nicht mehr. Hotels wie die Domaine gehörten nicht nach La Digue, hochpreisige Hotellerie, dafür habe man auf den Seychellen bereits genügend Inseln reserviert, wer so etwas suche, könne nach Silhouette, Frégate oder North gehen. Mit so eindeutigen Aussagen hätte ich hier gar nicht gerechnet, Natasha ist selbst im „Business“, neben dem Triskell betreibt sie eine kleine Agentur für Strandhochzeiten. Aber es ist nicht die Sache an sich, die sie kritisiert, es ist die Maßlosigkeit, mit der sie betrieben wird.
Während ich ihr zuhöre und im Geiste beständig zustimmend nicke, fällt mein Blick auf eines der Ölgemälde, die an den Wänden der großen Terrasse hängen, eine Hinterlassenschaft des ehemaligen Besitzers Erwan. Ich erzähle Natasha, was ich heute bei Tom Bowers gelernt habe. Ja, sagt sie, das Bild stellt Tonpa dar. Daher also die seltsame Vertrautheit, seit 8 Tagen schaut mir Tonpas Konterfei morgens beim Frühstück zu.

Natürlich ist er auch für die Natasha eine vertraute Figur. Er sei nicht nur Musiker, sondern auch ein Komödiant gewesen. Ich bekomme ein paar youtube-Videos vorgespielt, der Klang der Bonm ist gewöhnungsbedürftig. Mit etwas Nachhilfe verstehe ich die frivolen Texte einiger Lieder, manche Stücke wirken aber auch eher melancholisch. Hier mal ein Beispielvideo, das vielleicht schon aufgrund der alten Filmaufnahmen ein bißchen interessant ist:
https://www.youtube.com/watch?v=VmoKBbVlSUU
Daß die traditionelle Musik des indischen Ozeans, besonders die der Réunion, häufig eine gewisse Schwermut transportiert, habe ich mir immer damit zu erklären versucht, daß sie ihren Ursprung noch in den Zeiten der Sklaverei hat und so Unterdrückung, Identitätsverlust und Entwurzelung verarbeitet wurden. Nach Ansicht meines Onkels liegt es jedoch schlicht an den Bergen. Hohe Berge bedrückten die Menschen, deshalb sei Mauritius auch die fröhlichste aller Inseln des Indiks. Vielleicht hat er Recht, die Klänge der Karibik sind jedenfalls eindeutig lebensfroher und modernerer Seychellenpop kommt mir dann auch immer irgendwie reggaelastiger vor.
Der Koffer ist gepackt, das Zimmer nach vergessenen Gegenständen durchsucht, das letzte Frühstück gegessen. Ein letzter Blick über meine kleine Terrasse, Abschied von Skinken, Bülbüls, Natasha und Charlemagne. Alles wird mir fehlen, und sollte ich wieder einen Aufenthalt auf Mahé planen, dann sehr gern wieder hier.
Dann tuckern Kia und ich langsam und etwas verloren hinunter zur Küstenstraße, durch die Rauchschwaden der Einheimischen, die trotz Verbots in der ungewöhnlich lange andauernden Trockenzeit ihre offenen Feuer entzünden.
Eine kleine Einstimmung auf La Digue:

Den Kia gebe ich problemlos und mit viel zuviel Benzin im Tank bei Sixt ab, und da ich, wie viele FahrerInnen, nach 8 Tagen natürlich längst begonnen habe, die Maschine zu vermenschlichen, bekommt er einen entschuldigenden Streichler über den zerkratzen Spoiler vorn links. Naja, wenn ich mich so umschaue, befindet er sich damit in bester Gesellschaft, von den anderen Leihwagen ringsum sehen da einige auch nicht besser aus.
Bis zur Abreise bleiben mir noch vier Stunden, daher entledige ich mich des Koffers bei der Polizei und fahre zum Botanischen Garten. Im Bus gibt es diesmal keinen Sitzplatz mehr für mich. Kaum fährt der Fahrer los, tippt mich ein Mann an die Schulter und gibt mir zu verstehen, ich solle mich mit beiden Händen festhalten. Recht hat er, im Stehen gleicht die ganze Fahrt noch sehr viel mehr einer Achterbahn.
Der Botanische Garten kostet 100 Rupien Eintritt, wenn ich das Schildkrötengehe sehen möchte, in dem sie auch Terrapins zeigen, kostet das noch einmal 60. Die spinnen wohl! Terrapins habe ich sehr viel netter im Banyan Tree gesehen, diese dreiste Abzocke wird nicht unterstützt. Sie schneiden sich damit auch ins eigene Fleisch, denn die meisten Besucher reagieren so wie ich.

Der Rest des Gartens hat aber auch noch genug zu bieten. Am Seerosenteich mache ich eine längere Pause und trete dann gemütlich den Rückweg an. Ich habe noch viel Zeit, obendrein kommt auch gleich ein Bus, da werde ich früh am Flughafen sein und kann noch in Ruhe ein Stück Pizza essen. Am nächsten Kreisel biegen wir dann unerwartet rechts ab und schrauben uns die Sans Soucis Road hoch. Na großartig, ich sitze im falschen Bus!
Die nächste Haltestelle liegt ein Stück abseits der Sans Soucis Road in einem Wohngebiet namens Copolia Turnpoint. Hierhin hat sich vermutlich noch nie ein Tourist verirrt und das wütende Gebell der Winnies begleitet mich, während ich nach Mont Fleuri zurückgehe. Gottseidank ist es nicht weit.
Diesmal passe ich besser auf und sitze dann auch im richtigen Bus zurück zum Flughafen.
So endet Mahé schließlich noch mit einem weiteren kleinen Abenteuer. Alles in allem war es eine aufregende, wundervolle Woche.
Dann zerre ich meinen Koffer in das in den letzten Jahren vollkommen umgestaltete Domestic Terminal, in dem große Schilder weitere Veränderungen in Form einer Shopping Mall ankündigen. Kein hemdsärmliger Muskelprotz mehr, der die Koffer hinter den Holztresen wuchtet. Der Koffer bringt es am Schalter auf stolze 23,5 Kilo, mir wird ganz schwach. Die Mitarbeiterin von Air Seychelles reagiert aber gar nicht, ohne Schwierigkeiten zittert der Koffer ab und verschwindet hinter den Kulissen. Uff.
Zu Beginn der Reiseplanung, noch im „alles mitnehmen“-Wahn, buchte ich einen Platz ganz vorn links im Islandhopper, ich wollte doch auch mal ins Cockpit fotografieren. Das bereue ich jetzt. Den Blick ins Cockpit finde ich ein bißchen langweilig, dafür kann man hier vorn nicht richtig aus dem Fenster gucken ohne sich den Hals zu verrenken. Aber der Flug dauert ja auch nicht lange.
Um 14 Uhr geht es los, bei schönstem Sonnenschein und besten Sichtverhältnissen. Als wir uns Praslin nähern, erkenne ich die Grand Anse und in der Ferne Cousin und Cousine und Vorfreude macht sich breit.

Auf Praslin nehme ich ein Taxi zur Jetty. Dan, so heißt der Fahrer, ist ein netter Typ und erzählt mir ein bißchen, während wir die Grand Anse entlangfahren, wo ich mich von den letzten Aufenthalten her noch ein bißchen auskenne. Aber auch hier scheint erheblich gebaut worden zu sein. Spontan kommt mir die Idee, nicht direkt zur Jetty zu fahren, denn die Berichte über die Bebauungspläne an der Lazio kommen mir in den Sinn, und ich frage Dan, was es kosten würde, mich einmal rund um die Insel zu fahren. 1200 Rupees schätzt er, das deckt sich dann später ziemlich genau mit dem Taxameter. Ich möchte die Lazio noch einmal so sehen, wie sie jetzt ist, das Gebiet wird in ein paar Jahren sicher nicht mehr wiederzuerkennen sein.
Als wir auf die Straße abbiegen, die das Maital durchquert, erwähne ich, daß ich noch nie am Wasserfall gewesen bin. Dan geht sofort in die Eisen und tut, was ich als Tourist mich wohl kaum trauen würde. Er schaltet den Warnblinker ein und läßt den Wagen einfach mitten auf der Straße stehen. Auf dem kurzen Pfad zum Wasserfall stellt sich die Bezwingerin des Copolia Trails dann schon wieder an wie der erste Mensch und stolpert elegant wie ein sechzehnjähriges Reh hinter Dan her.

Auf Praslin hat es seit Anfang August nicht geregnet und entsprechend dünn ist das Rinnsal, das da vom Berg getröpfelt kommt. Es ist aber trotzdem sehr schön, Dan macht ein Foto von mir und ist jetzt voll im Reiseleitermodus. Weibliche und männliche Coco fesses und den Pierre de l'Unité, das muß ich jetzt alles noch sehen. Ich kenne das zwar schon, seinen Enthusiasmus zu bremsen täte mir jetzt aber irgendwie leid, also stelle ich mich überall nochmals auf und lasse mich fotografieren. Hier im Maital scheint alles unverändert, lediglich eine große Bushaltestelle mit Wartehäuschen gibt es jetzt.
Auf dem Weg zur Lazio zeigt Dan mir schon die ersten Straßen, die für den allgemeinen Straßenverkehr gesperrt wurden, um den Baufahrzeugen den ungehinderten Zugang zu ermöglichen. Man kann von hier aus nicht erkennen, was weiter unten Richtung Strand gebaut werden wird, Dan spricht von größeren Hotels und zeigt mir, wo rechts der Zufahrtsstraße zur Lazio überall sonst noch gebaut werden wird.
An der Lazio steige ich kurz aus und gehe ein paar Minuten an den Strand. Das Netz ist wieder da, sagt Dan, das sei nur kurz weggewesen, danach habe man ein Stabileres eingesetzt. Das sei wegen der Haie 2011. Auch ein Hinweisschild auf eine Strandwache gibt es.

Auf der Rückfahrt zähle ich bis Cote d'Or sieben Reiseveranstalterkleinbusse, die uns entgegenkommen, zwei, die in unsere Richtung fahren. An einer Stelle gibt es einen Engpaß, zwei Busse passen Baye Ternaymässig nur so knapp aneinander vorbei, daß es eines fünfminütigen Herumrangierens bedarf. Dan sagt, die Straßen seien für das heutige Verkehrsaufkommen eben auch nicht geeignet, die seien ja alle noch von den Engländern angelegt, und seither sei hier bis auf Ausbesserungsarbeiten nichts passiert. Ich finde ja, auch die Lazio ist für solche Menschenmassen nicht geeignet, aber das sage ich natürlich nicht.

Dan findet, Cote d'Or sei der schönste Strand Praslins. Ich habe über die enorme Kriminalitätsrate auf Praslin schon vor einiger Zeit in der Zeitung gelesen und schaue aufmerksam aus dem Fenster. An diesem Wochenende beginnt das Festival Kreol, einige Bühnen sind schon aufgebaut. Es wirkt dörflich, hier in Cote d’Or, so an einem sonnigen Samstagnachmittag, und auch ganz harmlos.
Danach fahren wir zur Jetty. Für die unterhaltsame Autofahrt bekommt Dan ein Trinkgeld, womit er ganz offensichtlich nicht gerechnet hat und das er zuerst auch nicht annehmen möchte. All die kleinen Extras, wie das Anhalten am Wasserfall und den Cocos fesses hat er ohne eine Gegenleistung zu erwarten getan. Dafür frage ich ihn, ob ich ihn in meinem Reisebericht mit Foto verewigen darf. Darüber freut er sich. Das ist Dan, der netteste Taxifahrer, den ich auf Praslin je hatte:

Mein online gebuchtes und per pdf auf dem Iphone gespeichertes Fährticket können die Damen im Cat Rose’s Büro nicht ablesen. Tickets solle man ausdrucken, bekomme ich ungehalten um die Ohren gehauen. Ja, ganz sicher werde ich mir jetzt hier kein zweites Ticket kaufen, wenn sie sowas nicht auslesen können, weshalb wird Online-Buchung denn dann angeboten? Ich schiebe das Iphone samt Paß nachdrücklich über den Tresen. Da steht alles, Namen, Geburtsdatum, Tag, Uhrzeit, das ist genausogut wie ausgedruckt. Siehe da, ein blaues Plastikkärtchen wandert in meine Richtung.
Im Port Side Café gibt es immer leckeres Essen, heute sind es Burger mit einer würzigen kreolischen Soße. Bis die Fähre ablegt, habe ich noch viel Zeit, knabbere an meinem Burger, kämpfe mit dem widerspenstigen W-Lan und bin gespannt auf La Digue. Ob ich die kleine Insel nach 6 Jahren wirklich nicht mehr wiedererkenne? In den letzten Jahren habe ich viele Bilder in Reiseberichten und Zeitungsartikeln gesehen und ich glaube mich auf die Veränderungen seelisch vorbereitet. Ich hätte mich ja nicht ärger täuschen können.
Willkommen auf La Digue, der autofreien Insel!
https://vimeo.com/241647197