Am Sonntag genießen wir die Suite und überhaupt die Seaview Lodge mit ihrem hervorragenden Essen in vollen Zügen. Kaum zu glauben, daß der letzte Sonntag erst eine Woche her sein soll.
Eigentlich hätte ich schon Lust, noch einmal den Gottesdienst der Wesley-Methodisten zu besuchen, aber die Aussicht, ab morgen wieder mehrere Tage hintereinander 11-Stunden-Flüge absolvieren zu müssen, läßt mich dann doch lang ausgestreckt auf der Liege verharren. Nachdem ich auf Eua vier Tage in einem geschlossenen Raum mit dem Gucken von Gruselfilmen auf dem winzigen Handydisplay verbracht habe, ist es einfach nur schön, hier zu liegen und auf den Pazifik und die vielen kleinen Inseln, die vor der Küste verstreut liegen, zu schauen.
Die Stimmung ist melancholisch, wir haben uns in Tonga verliebt, dieses wunderschöne, etwas kuriose Land auf der anderen Seite der Erde. Was uns daher noch fehlt, sind ein paar Erinnerungsstücke.
Nachdem am Montag das letzte weltbeste Rührei verputzt und der letzte weltbeste tonganische Kaffee ausgetrunken ist, geht es also auf Shoppingtour. Zum Glück zeigt sich das Wetter heute zum Abschied noch einmal von seiner besten Seite, die Sonne strahlt und die Viertelstunde Fußmarsch zum Markt sind schnell erledigt.
Der Mister hat sich als besondere Erinnerung an Tonga bereits einen geschnitzten Tangaroa und einen chinesisch sprechenden Taschenrechner gekauft, wie ihn die chinesischen Kaufleute selbst benutzen. Mir fehlt nun noch Kaffee. Im Souvenirshop neben dem Friends Café verkaufen sie kleine 60 Gramm-Beutel, die sich hervorragend als Mitbringsel eignen und von denen ich gleich einen Zehnerpack kaufe. Aber für mich selbst hätte ich schon gern eine größere Menge, hoffentlich muß ich dazu nicht erst bis zur Rösterei laufen.
Die Queen Salote-Road, in der der Markt und auch der kleine Chinesenladen liegen, in dem wir am ersten Tag unseren Getränkevorrat besorgt haben, hält aber noch eine kleine Überraschung bereit, denn wie sich herausstellt, liegt direkt neben dem Chinesenladen ein großer, moderner Supermarkt, der vermutlich auch gemeint war, als man uns von der Seaview Lodge aus den Weg beschrieben hat. Wir hätten damals nur wenige Schritte weitergehen müssen und wären im westlichen Konsumparadies gestanden. Hier finde ich alles, nur keine Vanille, aber jede Menge Kaffee, auch in 500 Gramm-Beuteln, großartig. Dazu ein paar lokale Knabbereien, mehr brauche ich hier nicht.
Auf dem zentralen Markt gegenüber sind inzwischen deutlich mehr Touristen unterwegs als noch vor vier Wochen, man merkt, daß die Walsaison bald beginnt. Auf dem Markt ist man darauf eingerichtet, neben den Produkten für den Alltagsbedarf gibt es hier auch Tapa-Bilder, Schlüsselanhänger, Schnitzereien und jede Menge Gesundes aus der heimischen Herstellung.
Ich kaufe mehrere Tapa-Bilder in verschiedenen Formaten, um später an der heimischen Reisebilderwand damit herumexperimentieren zu können. Nur Vanille gibt es auch hier wieder nicht. Nachdem ich an mehreren Ständen gefragt und nur Kopfschütteln geerntet habe, gebe ich es auf.
Die Tonga-Vanille ist wohl nur eine Legende, sage ich aus abergläubischer Gewohnheit, denn dann sind die Dinge am Ende immer noch wahr geworden. Und es klappt auch diesmal.
Mittags holt Kautai uns aus der Seaview Lodge ab, der Abschied ist herzlich und fällt uns schwer. Nicht nur von der Suite, auch von den netten Mitarbeitern. Unterwegs erheitert uns der chinesische Taschenrechner, der bei jedem Tastendruck mit einer schlumpfartigen Stimme die chinesische Zahl quäkt, aber davon abgesehen sind wir vor allem mit Schauen beschäftigt. Wenn wir jetzt ins Flugzeug steigen, werden wir in einer Welt wieder aussteigen, die schon ein bißchen anders ist, als das, was wir hier fast fünf Wochen erlebt haben.
Am Flughafen zahlreiche Jugendliche in ihren vermutlich besten Tapa-Matten, sie sind aufgeregt und kichern herum. Wahrscheinlich ihr erster Flug ins Ausland, nach Neuseeland, oder vielleicht weiter nach Australien oder in die USA. Es wird sicher nicht ihr letzter sein.
Während der Wartezeit schlendern wir abwechselnd durch die Souvenirshops und tatsächlich - hier gibt es Vanille. Heilala heißt die Marke, benannt nach einer tonganischen Pflanze. Daß es hier, am Flughafen, touristisch aufgemacht ist und nach Dr. Oetker-Vorbild für eine Unsumme gerade mal zwei Schoten in einem aufwändig zurechtgemachten Glasröhrchen präsentiert werden, wundert mich nicht. Daß die Verkäuferin mir sagt, in Nuku’alofa gäbe es einen Laden, aber dort seien die Produkte eher noch teurer, finde ich seltsam. Später, bei Durchsicht der Fotos, werde ich per Zufall auf einem der Bilder, die eine Straßenszene in der Queen Salote-Road abbilden, das Ladenschild entdecken. Wir sind unwissentlich mehrfach daran vorbeigelaufen.
Dann ist es soweit, wir fliegen nach Auckland. Dort haben wir diesmal keinen langen Aufenthalt, den wir komplett auf dem uns bereits vertrauten Raucherdach verbringen.
Der nächste Flug wird schon schlimmer, 11 Stunden bis Los Angeles, dabei die Überquerung der Datumsgrenze, wovon man natürlich nichts weiter mitbekommt, abgesehen von der Anzeige auf dem Bildschirm der Boardunterhaltung, die die Flugdauer mit 23 Stunden angibt.
Mit Air New Zealand haben wir inzwischen unseren Frieden geschlossen, kein Flug war mehr so schlimm wie der erste von Hong Kong nach Auckland auf der Hinreise, und während des Fluges erfreut mich wieder das Doku-Programm mit einigen richtig guten Filmen.
In Los Angeles angekommen, findet die neu geschlossene Freundschaft dann allerdings ein jähes Ende. Wir finden unsere Koffer in einem so desolaten Zustand vor, daß wir uns fragen müssen, ob sie die letzten Etappen der Heimreise überhaupt noch überstehen werden. Zudem ist weit und breit kein Air New Zealand-Schalter zu finden, obwohl wir die Halle in alle Richtungen abgehen. Wir werden versuchen müssen, das am nächsten Tag zu klären, denn jetzt haben wir nach 11 Stunden Flug und zwei Stunden Anstehen an der Immigration überhaupt keine Reserven mehr.
Nachdem wir das hinter uns haben, gilt es ein Taxi zu finden, denn unsere Unterkunft bietet nur einen One-Way-Shuttle zum Flughafen, aber nicht in die andere Richtung. Das Super8 Motel am Airport Boulevard liegt, wie der Name schon sagt, so nah am Flughafen, daß der erste Taxifahrer, den wir ansprechen, sich mit der Ausrede, er kenne diese Unterkunft nicht, direkt weigert, uns zu befördern, Gas gibt und uns stehen läßt. Da so etwas wohl keine Seltenheit ist, gibt es am Flughafen einen Taxi-Supervisor, der den Vorfall auch mitbekommt und sich sofort notiert. Taxifahrer Nummer zwei klärt uns dann auf, daß die Fahrt dorthin nicht den üblichen Mindestfahrpreis von 15 Dollar erreiche, die wir in jedem Fall zu zahlen hätten. Das stimmt dann auch, laut Taxameter wären es 8 Dollar gewesen, aber nun gut, dafür ist das Motel günstig und 15 Dollar sind für eine Agglomeration wie LA ja auch eigentlich nicht wirklich teuer.
Das Super8 hat sogar einen Pool, aber zum Glück ist es zu kalt, ihn zu benutzen, so daß wir weder Gefahr laufen, uns im Wasser Dünnpfiff oder Krebs zu holen.
Dafür einen steifen Nacken, denn direkt in der Einflugschneise des Flughafens gelegen, sind die landenden Maschinen bereits so tief, daß man glaubt, sie anfassen zu können.
Der Shuttle bringt uns am nächsten Tag bereits mittags zum Flughafen. Da der Flug erst am Nachmittag geht, haben wir viel Zeit, die Kofferangelegenheit zu regeln. Das läßt sich zunächst auch gut an, auch wenn wir den Schalter am Vorabend nicht gefunden haben, werden auch heute die Schäden nach Vorlage der gestrigen Bordkarten problemlos akzeptiert und wir bekommen eine für zwei Stunden gültige Debit-Card mit einer Entschädigungssumme ausgehändigt, die wir überall im Flughafen einlösen können. Das paßt sich gut, da wir noch so viel Zeit haben, werden wir uns damit einen schönen Tag machen können.
Wir machen den Fehler, uns erst nach Passieren der Security zwei Pizzen und Getränke zu bestellen, nur um dann festzustellen, daß die Karte nicht akzeptiert wird. Da wir für uns zubereitetes Essen ja nun nicht mehr zurückgehen lassen können, haben wir nun nicht nur keine Entschädigung für die beschädigten Koffer, wir sind auch unser gesamtes Bargeld los. Die Karte funktioniert später auch in keinem Buchladen oder anderen Shop, so daß wir das aufgeben und ich im Geiste schon einen gepfefferten Beschwerdebrief an Air New Zealand formuliere (auf dessen Beantwortung ich übrigens bis heute warte).
Weiter geht es nach London und von dort aus nach Berlin, so daß wir am Ende einmal die Weltkugel umrundet und noch mehrere Tage erheblich mit dem Jetlag zu kämpfen haben, bevor wir hier so ganz allmählich wieder ankommen.
So ganz angekommen sind wir bis heute nicht. Noch immer ertappen wir uns dabei, beim Waldspaziergang herumliegendes Totholz aufsammeln zu wollen, oder bei Gedankenspielen, wieviel Uhr es jetzt gerade in Tonga ist, ob auf Luahoko schon der erste Tölpel gekrächzt hat und was die Purzel so treiben.
Tonga ist kein Land, bei dem man in auch nur in ferner Zukunft befürchten muß, daß dort ein touristischer Ausverkauf nach dem Vorbild der Seychellen stattfindet. Dennoch bleibt abzuwarten, was die Familie Rice, die das Sandy Beach Resort zufälligerweise genau während unseres Aufenthaltes von den vorherigen Besitzern, einer deutschen Familie, gekauft hat, langfristig daraus machen wird. Da Darren recht offen über die gerade stattfindenden Kaufverhandlungen sprach, fragten wir ihn natürlich nach seinen Plänen für Luahoko. Sollte er seine Aussage, die Insel läge ihm genau so, wie sie jetzt sei, am Herzen und er werde alles genau in dem rustikalen Zustand belassen und denke nicht daran, ein Luxusresort daraus zu machen, hätte er meinen allergrößten Respekt, denn so würde ja bei weitem nicht jeder mit diesem kleinen Bonus umgehen, den ihm der Kauf des Sandy Beach eingebracht hat.
Ich gebe offen zu, durch das intensive Beobachten der Entwicklungen auf den Seychellen ein bißchen vorgeschädigt und mißtrauisch zu sein. Man nehme als Negativbeispiel eine Insel wie Remire, auf der ja quasi ein Luahoko entstehen soll, nur eben mit Villa und Butler und vermutlich für eine vierstellige Summe pro Tag, eine Entwicklung, die für mich nur betont, wie besonders Luahoko ist.
Man mag den Verhältnissen, die in Tonga herrschen, trotz aller Neigung zum Ursprünglichen auch kritisch gegenüberstehen, was der Grund dafür war, mich intensiv mit der aktuellen Situation der Jugendlichen und der Seleka Art Initiative zu beschäftigen. Aber Tatsache ist, bei allen Problemen verbindet die Tonganer und ihren König eine Haßliebe, so ein Königshaus scheint hier genauso Identitätsstiftend zu sein wie in Großbritannien; und so wird das Land eben die damit einhergehenden die Entwicklung bremsenden Faktoren und die Ungerechtigkeiten auch hinnehmen müssen. Und wer weiß, vielleicht ist es dem Universum ja auch ganz recht, daß dort, am Anfang der Zeit, ein kleines stolzes Land wie Tonga den Fuß in das Rad der Zeit hält.
Im vergangenen Jahr schrieben wir
Suse hat geschrieben: ↑04 Aug 2018 23:18
Frenki hat geschrieben:Suse hat geschrieben:
Ich hab schon so einen schönen Titel für den nächsten Reisebericht.
Lass mich raten: "Träume, Tränen und Tropenstürme" ?
Das wäre dann eher der Titel für die diesjährige geplatzte Reiseplanung gewesen. Nächstes Jahr wird das hoffentlich eher so:
wobei die Larissa Marolt natürlich eine Anspielung darauf sein sollte, daß ich schon den Titel "Dschungelcamp" im Kopf hatte.
Wenn ich ein Fazit ziehen müßte, würde ich sagen, daß "Holla die Waldfee" die Reise nicht annähernd adäquat beschreibt.
Auch wenn wir zufällig mitten in einer Partyzone der bevölkerungsreichsten Stadt Deutschlands leben, sind wir grundsätzlich alles andere als naturentfremdete Menschen. Wir haben beide, gemeinsam und voneinander unabhängig, viel Zeit draußen in relativer Wildnis verbracht, und dennoch hatten wir beide das Gefühl, noch nie so eng mit den Abläufen der Natur verbunden gewesen zu sein, wie auf der kleinen Insel. Mr. Minolta hat es vorausgeahnt, als er vor der Reise sagte: Es kann sein, daß uns das für alles andere verdirbt. Und deshalb sind wir nächstes Jahr wieder da, Luahoko sieht uns wieder und wir zählen ehrlich gesagt, schon die Tage.
Zum Abschluß ein paar Empfehlungen zur Vorbereitung:
Man sollte sich nicht mehr auf den Reiseführer "Samoa- und Tonga-Handbuch" aus dem Walther-Verlag verlassen. Das Werk galt (vermutlich zu Recht) als der einzige wirklich kompetente Reiseführer zu beiden Ländern. Möglicherweise ist er das heute noch, aber leider doch zu sehr veraltet.
Wer sich vorab in das Leben auf einer einsameln Tonga-Insel wegträumen möchte, dem sei
"Eine Insel nur für uns zwei" von Nina und Adrian Hoffmann vorgeschlagen. Das Buch sehe ich aus verschiedenen Gründen eher kritisch, aber lest selbst.
Wer sich einen Einblick in die meist fälschlich als paradiesisch eingeschätzten Lebensverhältnisse Jugendlicher in pazifischen Kleinstaaten verschaffen möchte, sollte "Verschollen in der Südsee" von Damaris Kofmehl lesen. Dabei muß man den vorrangig religiösen Ansatz der Autorin ausklammern können, dann ist das Buch sehr informativ.
Als den für eine Reisevorbereitung nach Polynesien oder Ozeanien allgemein empfehlenswertesten Film schlage ich "Vai" vor, ein gemeinsames Projekt von 8 Filmemacherinnen, die das für alle Staaten Ozeaniens übergreifende Thema von Abschied und Verlust am Beispiel einer fiktiven Frauenfigur in verschiedenen Lebensstadien thematisieren. Ich habe mir den Film gleich zweimal angeschaut, auf dem Flug von Auckland nach Los Angeles und gleich nochmal von LA nach London, weil ich ihn so wunderbar fand.
Damit soll der Reisebericht dann auch beendet sein. Vielen Dank fürs Lesen, wir hoffen, Ihr hattet Spaß und die, die demnächst eine Reise nach Tonga planen, einen Nutzen davon. Wenn noch Fragen sein sollten, gern fragen.
Und wenn uns nicht wieder irgendwelche Tropenstürme in die zukünftigen Reiseträume hineingrätschen, gibt es für die, die mögen hoffentlich auch wieder einen Reisebericht von unserer Zeit auf unserer Insel im Pazifik.
Abspann zum Zuhören:
https://www.youtube.com/watch?v=I8WehY7suB0