Einsame-Insel-Aufenthalte kann man in verschiedenen Ecken der Erde haben, überwiegend im Luxussegment, in dem Einsamkeit bedeutet, daß ein Butler heimlich aus dem Gebüsch linst und einem ein feuchtes Tüchlein reicht, sobald sich ein Schweißtropfen zeigt. Es ist ein Glück, daß das für uns beide eine eher weniger verlockende Vorstellung ist und wir gleichermaßen die schlichte Variante bevorzugen, in der die Isolation von allem Chichi der wahre Luxus ist.
Auch wenn wir uns im Vergleich zu Luahoko mit Motu Rani an Komfort bereits gesteigert haben und das in Zukunft wohl auch weiter in einem gewissen Maß tun werden, wollen wir die echten Robinsonaden, bei denen man eine Insel wirklich für sich allein hat, noch so lange realisieren, wie wir dies körperlich können. Die Zeit wird früh genug kommen, daß uns das zu anstrengend werden wird, weshalb auch die eigentlich auf 2025 verschobene Florida-Reise erneut zugunsten eines Inselabenteuers in einem anderen Winkel des Pazifiks um ein Jahr verschoben wird. Aber ehrlich gesagt haben wir schon angefangen Ideen zu entwickeln, wo und wie sich dies irgendwann in Florida in ähnlicher Form realisieren ließe.
Aber noch sind wir hier und fühlen uns als Herren der Lagune.
Wenn wir, wie es diesmal tatsächlich zweimal der Fall war, andere Touristen sehen, empfinden wir diese bereits als Störenfriede und erwarten eifersüchtig den Moment, daß sie von ihren Touranbietern wieder davongeschippert werden.
Sobald die Dämmerung einsetzt, sind wir wieder allein. Man möchte die Zeit anhalten in solchen Momenten.
Zum Ende des Aufenthalts hat sich der ständig zunehmende Mond zu einem vollendeten Vollmond gesteigert.
Die Lichtverhältnisse kommen in manchen Momenten einer kleinen Mitternachtssonne gleich, es ist ein permanentes Zwielicht, in dem man weit auf die freiliegenden Sandbänke hinauslaufen kann. Prendre plein les yeux, wie der Franzose sagt, die Augen mit dem Anblick füllen. Nach dem anfänglichen Unwetter auf Raivave hatten wir hier auf dem Motu durchgehend 10 Tage strahlenden Sonnenschein, besser kann man es sich nicht wünschen.
Für uns ist das hier das Paradies. Den passenden Wein dazu haben wir ausgetrunken, morgen werden wir abgeholt.
Wie üblich erscheint Terani früher als angekündigt, aber das kennen wir schon und sind bereit. Ich nutze die Gelegenheit, auf der Insel einen kleinen Schatz zu verstecken, nicht zu gut, mehr auf Augenhöhe, so daß die, die nach uns kommen, auch die Chance haben ihn zu entdecken. Es ist nichts, was der Insel schaden könnte, kein Plastik, sondern aus natürlichem Material. Ich bin neugierig, ob ich ihn in ein paar Jahren hier noch vorfinden werde.
Zurück auf Raivavae, der Übergang in die Zivilisation ist kleinschrittig. Wir sind ganz allein auf der Küstenstraße, niemand zu sehen. Auf der Tragfläche des Pickup aufgehäuft das, was von der Inseleinsamkeit übrigbleibt.
Herrlich ist dafür immer die erste Dusche. Man glaubt nicht, wie sehr die Sinnesorgane sich der permanenten Reizüberflutung in unserem alltäglichen Leben entwöhnen. Das Duschgel duftet so intensiv wie nie. Und frische wohlriechende Klamotten!
Alles, was wir in der Pension zum Lüften ausgebreitet zurückgelassen hatten, muß jetzt zusammengerafft werden. Um so lange wie möglich auf dem Motu bleiben zu können, haben wir keine Übernachtung mehr auf Raivavae geplant, sondern fliegen direkt am Nachmittag zurück nach Tahiti. Es gibt eine herzliche Verabschiedung von Terani, Odile und Maito. Wir waren ganz sicher nicht zum letzten Mal hier.
Das Flugzeug überfliegt die Lagune nach dem Start Richtung Süden, so daß wir einen letzten Blick auf Motu Rani werfen können.
Es ist sehr seltsam sich vorzustellen, daß Motu Rani jetzt menschenleer daliegt, so ohne uns. Was wohl die Falterfische machen?
Wir landen spät auf Tahiti und trinken abends im Fare Suisse noch ein Hinano. Wir haben jetzt Heimweh nach der Insel. Das Frühstück am nächsten Morgen in dem schattigen Restaurant mit dem selbstgebackenen Brot von Beni tröstet uns dann aber darüber hinweg.
Und dann ist ja da auch noch das Wiedersehen mit der Kanone. Der Mister freut sich wie über ein lange verlorenes Familienmitglied. Während er feiert, versuche ich, jetzt, kurz vor der Abreise, endlich mal Briefmarken für die Postkarten zu ergattern, die ich am ersten Tag auf dem Kunsthandwerkermarkt gekauft habe.
Die Post liegt direkt neben dem Parc Bougainville, wo die Kanone steht, daher denke ich, daß das eine schnelle Nummer wird. Da täusche ich mich aber gewaltig, und hätte ich gewußt, daß ich vermutlich in diesem Moment den Grundstein für ein paar sehr unangenehme Wochen gelegt habe, hätte ich es gleich gelassen.
Weder gibt es hier, im Hauptpostamt, Briefmarkenautomaten, noch mehrere Schalter. Lediglich einer ist geöffnet, man zieht eine Wartemarke und rückt langsam in der Schlange vor. Die Kunden sind alle Polynesier und sprechen dementsprechend Tahitianisch mit der Schalterbeamtin, so daß ich nicht verstehen kann, welche Probleme hier ausführlich dargelegt und geklärt werden müssen. Schwerwiegende müssen es sein, denn es dauert endlos.
Währenddessen bläst die Klimaanlage auf Hochtouren, ich vermute, manche sitzen hier nur wegen der Temperaturen, so wie sie sich in dem kalten Luftstrahl wohlig aalen. Ich friere erbärmlich, bekomme schon einen steifen Nacken, die Schultern tun mir weh, und irgendwann habe ich so die Faxen dick, daß ich einer nachkommenden Frau meine Wartemarke schenke und die Flucht ergreife.
Kleiner Spoiler: Wenn man die Postkarten von Deutschland aus versendet und dazu Briefmarken mit Blumenmotiven benutzt, merkt kein einziger der Empfänger, daß die Karten den kurzen Dienstweg genommen haben.
Am späten Nachmittag gibt’s eine Abschiedspizza in der L’Apizzeria, dann hängen wir auf der Terrasse im Fare Suisse ab, bis es Zeit wird, zum Flughafen zu fahren.
Wie immer ist es ein Nachtflug, der uns nach Los Angeles bringt, so daß wir früh am Morgen ankommen. In der Travelodge gönnen wir uns einen Early Check-in und bekommen diesmal ein Zimmer mit Blick auf den Pacific Coast Highway.
Auf einmal ist die Erinnerung an die Ankunft wieder ganz frisch und die ganzen Tage dazwischen auf einsamen Inseln kommen einem irgendwie unwirklich vor. Anstelle frischer Kokosnüsse gibt es jetzt wieder Fastfood, wenn auch gutes.
Vielleicht liegt es aber auch am Sprung in eine andere Klimazone, daß mir im Kopf irgendwie so düselig ist, Halsschmerzen gesellen sich dazu. Ein heißes Bad und Salat vom Chick-fil-A, das sollte mich wieder auf die Beine bringen. Die dritte Erkältung in zwei Monaten, es nervt. Ich ruhe mich aus, gucke Neighborhood Wars bis zum Abwinken, das ist sooo lustig und lenkt ab.
Der Rückflug wird dann die Hölle. Neben mir sitzt ein Ägypter, der erzählt, es sei noch Ramadan, und deswegen sei er so hungrig, während er sein Tablett leerfuttert. Ich würde ihm meins am liebsten auch noch geben, mir schmeckt alles wie Stroh. Das Atmen fällt mir schwer und die Ohren tun weh. Ich muß nochmal den Elvis-Film gucken, schlafen kann ich nicht. Es ist alles nur furchtbar.
Zuhause schaffe ich es noch, meinen Koffer auszupacken und die inselfeuchten Klamotten in die Waschmaschine zu schmeißen, dann ist Feierabend. Am nächsten Tag habe ich 40 Fieber und wenige Tage später das Laborergebnis. Nach zweimaliger Erkältung vor und während der Reise hat mein geschwächtes Immunsystem sich ein paar Streptokokken als Souvenir eingepackt und anstelle zur Arbeit zu gehen bin ich nach fünf Wochen Reise gleich nochmal vier Wochen krankgeschrieben und schlucke Antibiotika plus Penicillinbooster.
Im Nachhinein bin ich mir ziemlich sicher, daß das an dem Tag im Postamt in Papeete seinen Anfang genommen hat. Nächstes Mal kaufe ich Postkarten wieder im Souvenirgeschäft, wo man die Briefmarken gleich dazu bekommt.
Und ein nächstes Mal wird es ganz sicher geben. Jetzt, wo wir den Reisebericht beenden, ist die 2025er Reise schon fest gebucht. Die Reiseplanung verlief holprig, weil einiges, das wir uns vorgenommen hatten, nicht geklappt hat, aber am Ende war es wahrscheinlich nicht zu unserem Nachteil, weil wir so die Möglichkeit auf ein neues Inselabenteuer in der Südsee bekommen.
Es wird ähnlich, aber auch wieder anders werden, aber Tahiti wird auch wieder dabei sein. Weil es eben das Fenua He‘euri ist: Das Land, in dem es einfach so schön ist.
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