Von Aitutaki selbst haben wir ja noch kaum etwas gesehen. Der Mister, der ja schon mal hier war, schlug vor, eine Tour mit dem Fahrrad zu machen, aber jetzt, wo wir inzwischen Jeff kennengelernt haben, erscheint uns eine Tagestour mit ihm vielversprechender.
Er holt uns am nächsten Vormittag ab und hat schweres Geschütz aufgefahren, den Pickup mit Allrad, damit wir auch über die Buckelpisten in die Berge kommen. Denn tatsächlich hat Aitutaki einen kleinen Höhenrücken, den Maunga Pu, stolze 124 Meter hoch.
Es gibt auf Aitutaki nur zwei Ortschaften, die uns nächstgelegene ist Arutanga. Jeff ist ein witziger Typ und wie alle Neuseeländer verrückt nach Rugby, was ist also das erste, was er uns zeigt? Das Rugby-Spielfeld mitten in der Stadt. Wann laufen die Cook-Insulaner beim Rugby am schnellsten? Wenn hinter dem Spielfeldrand das Barbecue zu sehen ist. Also das sagt zumindest Jeff.
Wie in den meisten Ländern Polynesiens sind auch die Cook-Insulaner tief religiös und die hier vertretenen Konfessionen sind Legion. Die Cook-Inseln nehmen für sich in Anspruch, das erste Land Ozeaniens gewesen zu sein, das missioniert wurde, und sie haben den neuen Glauben begeistert angenommen.
Anders als in Französisch Polynesien haben wir auch noch nicht gehört, daß dies heute in Frage gestellt würde, aber das Verhältnis zu den einstmaligen Kolonisateuren ist vielleicht auch ein entspannteres.
Die große Kirche in Arutanga gehört zu einer Gemeinde der Latter Day Saints, also Mormonen, nicht gerade etwas, wovon ich besonders viel halte. Und auch immer wieder ein Rätsel für mich, wie Völker, in denen eine dunkle Hautfarbe vorherrscht, dieser Religion überhaupt anhängen können, nach allem, was so im Buch Mormon steht. Aber natürlich thematisiere ich das weder Jeff noch sonst irgendwem gegenüber.
Nicht weit hinter der Kirche der kleine Hafen von Arutanga.
Viele Segler, die hier in der Marina anlegen und sich ausruhen, bevor sie wieder über die Weltmeere fahren.
Die Stimmung ist friedlich und ein bißchen verschlafen, aber das könnte sich in den nächsten Jahren gründlich ändern.
Während der Mister begeistert das Ambiente ablichtet
frage ich Jeff nach den Mangan-Knollen und erhalte eine interessante Antwort.
Erst vor wenigen Jahren begann man der lange bestehenden Vermutung nachzuforschen, daß es auf dem Meeresboden vor den Cook Inseln ein massives Rohstoffvorkommen an Seltenen Erden geben könnte. Und tatsächlich fand man eine enorme Dichte an Manganknollen, die in mehreren tausend Metern Tiefe liegen. Für die Cook-Inseln, die aufgrund ihres Pro-Kopf-Einkommens schon länger keine Entwicklungshilfe mehr bekommen, eine willkommene Einnahmequelle. Nur fördern kann das kleine Land die Schätze allein natürlich nicht.
https://www.republik.ch/2020/11/13/gold ... lauen-welt
Anstelle des den Inselstaaten eng verbundenen Neuseeland oder vielleicht noch Australien, ist es nun China, mit dem die Cook-Inseln einen Vertrag zur Förderung geschlossen haben. China, das überall im pazifischen Raum strategisch investiert, das kann die Neuseeländer, die die Cook Inseln militärisch schützen, genau wie Frankreich dies in Französisch Polynesien tut, ja nur vor den Kopf stoßen.
Man darf gespannt sein, ob der Fünfjahresvertrag am Ende zum Wohle aller Beteiligten sein oder sich als Pakt mit dem Teufel erweisen wird.
Wir umrunden die Insel und es wird waldreicher. Hier wären wir mit dem Fahrrad schon nicht mehr entlang gefahren, aber Jeff bringt uns über holprige, sumpfige Pfade tief in den Wald.
Die hier wachsenden Palmen gehören niemandem und werden von jedem, der möchte, abgeerntet.
Wir halten in einer kleinen, abgelegenen Bucht. Im Sand ein toter Fisch, Jeff ist entsetzt, er wollte uns hier ein unberührtes, menschenleeres Stück Küste zeigen, und dann liegt der hier, halb verwest, von Fliegen übersät, und stinkt bestialisch.
Als der Mister das übelriechende Objekt begeistert fotografiert, ist Jeff zuerst überrascht. Aber als ich ihm dann erkläre, daß das Motiv vermutlich mit einem Spruch darüber, was es auf One Foot zu essen gab oder etwas ähnlichem als Grußkarte an alle Daheimgebliebenen verschickt wird, kriegt er sich nicht mehr ein. Am Ende fotografiere ich sie beide, wie sie einträchtig den Fisch fotografieren.
Nach dem gemeinsamen Lachflash ist bei Jeff jegliche Zurückhaltung die er vielleicht uns fremden Gästen gegenüber gehabt haben mag, verflogen, und er zeigt uns sein Zuhause. Ein schönes Haus haben seine Familie und er, an den Hängen des Maunga Pu, dem Gemüsegarten von Aitutaki, umgeben von Papayaplantagen und anderen Pflanzen, die wir so noch nie gesehen haben.
Das sind sozusagen Bonsai-Kokospalmen, so erzogen der leichteren Ernte wegen. Praktisch, damit man nicht wie die Frau vorhin im Wald mit meterlangen Stangen hantieren muß.
Mit Schwung geht dann es rauf auf den Maunga Pu. Und die Aussicht, die man von dort oben hat,
wird von der Ladefläche des Trucks noch ein kleines bißchen besser. Irgendwo ganz weit da draußen, da liegt One Foot. Nur ohne uns. Seufz.
Wieder unten im Flachland wartet das Highlight der Insel auf uns: Der massive Banyan, durch den die zweispurige Inselstraße mitten hindurchführt, so groß ist er.
Den ursprünglichen Baum unter all den Banyan-Wurzeln gibt es schon lange nicht mehr, den hat die Feige längst erwürgt und steht nun allein als regelrechter Wald da, in dem Chilis und andere Pflanzen wachsen.
Und wo tankt der Einheimische, wenn er nach so einer Inselrundfahrt Benzin braucht?
Hier zum Beispiel. Ist das nicht die idyllischste Tankstelle der Welt?
Aitutaki ist nicht nur aufgrund seiner Lagune liebenswert, die Insel selbst und ihre Bewohner haben uns auch im Sturm erobert, und das setzt sich auch bei der Rückkehr in die Sunny Beach Lodge weiter fort.
Wir haben neue Zimmernachbarn bekommen, eine Gruppe fröhlicher Cook-Insulanerinnen aus Rarotonga, die morgen schon wieder abreisen. Es gibt ein emsiges Hin- und her zwischen unseren Zimmern, alle paar Minuten hört man ihre Flipflops über den Kachelboden klappern, immerzu bringen sie uns etwas, das sie uns schenken möchten: Bereits geschälte Kokosnüsse, Mangos, Kekse und Softdrinks.
Sowas passiert einem nicht, wenn man im Luxushotel wohnt. Und trotzdem wollen wir zur Abwechslung jetzt mal genau dorthin.